Um den altägyptischen Gottkönig Tutanchamun ranken sich viele Hypothesen und Legenden. Seit der Entdeckung seines Grabes macht die Geschichte vom Fluch des Pharao die Runde: Alle, die mit der Mumie in Berührung kommen, fallen ihr zum Opfer. Erst jetzt haben Forscher neue Erkenntnisse gewonnen – Opfer eines Mordes wurde Tutanchamun wohl nicht.
Schon einmal markierte der Name Tutanchamun einen spektakulären Wandel in der Archäologie.
Schon einmal markierte der Name Tutanchamun einen spektakulären Wandel in der Archäologie.
Als Howard Carter am 28. Oktober 1922 im Tal der Könige beim oberägyptischen Theben auf eine versiegelte Tür stieß, war klar, dass der britische Archäologe das erste unberührte Grab eines Pharao entdeckt hatte. Sein goldreicher Inhalt – Sarkophage, Herrschaftszeichen, Haushaltsbeilagen und zwei mumifizierte weibliche Föten – bot erstmals einen Einblick in das Leben der altägyptischen Gottkönige, sowohl im Diesseits als auch im Jenseits. Seitdem gilt der Schatz Tutanchamuns als größte archäologische Entdeckung des 20. Jahrhunderts.
Weniger großartig, aber ähnlich bedeutend darf jetzt die Entscheidung der Verwaltung der ägyptischen Altertümer gelten, die seit ihrer Entdeckung verhüllte Mumie Tutanchamuns den Blicken der Öffentlichkeit freizugeben. In einer klimatisierten Plexiglasvitrine in seiner Grabkammer wird der Kopf des Königs gezeigt, wie ihn die Mumifizierungskünste seiner Untertanen durch die Jahrtausende gebracht haben. Damit aber steht Tutanchamun nun auch beispielhaft für jene Richtung der Archäologie, der es nicht mehr nur um Kunstwerke und wertvolle Fundstücke geht, sondern die sich vor allem als historische Kulturwissenschaft versteht.
In diesem Sinne haben Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen über zwei Jahre hinweg die Mumie untersucht, deren Zustand nicht zuletzt durch die wenig fürsorgliche Behandlung Carters gelitten hatte. Das Ergebnis war weniger schaurig als wohl erhofft: Der Pharao, der nach rund zehnjähriger Regierung mit nur 19 Jahren um 1323 v. Chr. starb, wurde nicht Opfer eines Mordes. Die Knochensplitter am Hinterkopf, die seit einer Untersuchung von 1968 als klares Zeichen von Gewalteinwirkung galten, entstanden erst während der Einbalsamierung. Das gleiche gilt für die leichte Deformation der Wirbelsäule. Auch wurde kein Hinweis auf einen eingedrückten Brustkasten gefunden. "Wir konnten keinerlei Anzeichen eines gewaltsamen Todes feststellen", resümiert Zahi Hawass, Leiter der Denkmalschutzbehörde. Damit relativiert er vor allem Thesen von höfischen Intrigen gegen den Herrscher. Denn die nun vermutete Todesursache ist auch nicht ohne: Wohl ein Schwerthieb erklärt den Bruch des linken königlichen Oberschenkelhalsknochens. Die Wunde entzündete sich – mit tödlichen Folgen. Die Forscher fanden Spuren der Einbalsamierung in der Wunde, die danach zum Zeitpunkt des Todes noch geöffnet war. Starb Tutanchamun also an einer Kriegsverletzung oder gebrauchten Attentäter nur ein unspektakuläres Werkzeug?
Dass auch die Zeugnisse der Lebenswirklichkeit vergangener Zeiten publikumswirksame Deutungen ergeben können, zeigen die Rekonstruktionen der Gesichtszüge Tutanchamuns. 2002 stellten ihn Forscher – mit 1,67 Metern war er zu seinen Zeiten kein kleiner Mann – als bulligen Skinhead mit dicker Nase und breiten Lippen vor. 2005 wurde daraus ein gepflegter Kopf mit geradezu femininen Zügen.
Einigkeit besteht zumindest darin, dass der leichte Überbiss der Mumie sie als Mitglied der 18. Dynastie ausweist, deren äußere Merkmale durch enge Verwandtenehen ausgeprägt wurden. Im Grunde endet mit Tutanchamun diese Familie, seine Nachfolger Eje und Haremhab sollen zwar hohe Höflinge aber keine Blutsverwandten gewesen sein.
So unscheinbar sein Grab ist (sogar Räuber übersahen es), so wenig bedeutend war offenbar auch seine Herrschaft. Wahrscheinlich war sein Vater Amenophis IV., der sich schließlich Echnaton nannte und mit der Verehrung der Sonnenscheibe seinem Volk die erste monotheistische Religion der Geschichte oktroyierte. Ob Tutanchamuns Mutter Echnatons Hauptfrau Nofretete war, steht dahin. Auf jeden Fall war der Kindkönig ein Spielball im Kampf der Fraktionen um die Macht, in dem die mächtige Amun-Priesterschaft von Theben schließlich den Sieg über die Parteigänger Echnatons in dessen neuer Hauptstadt Amarna davontrug. Nur als Bindestrich zwischen dem Ketzerkönig und der Weltmacht der Ramessiden ist Tutenchamun in die Geschichte eingegangen.
So sehr sich die Archäologen mittlerweile naturwissenschaftlicher Methoden bedienen, können sie vielleicht auch eine gänzlich andere Hypothese bekräftigen. Seit Tutanchamuns Entdeckung macht die Geschichte vom Fluch des Pharao die Runde, dem alle zum Opfer fallen, die die Ruhe der königlichen Leiche stören. Der Financier der Grabung, Lord Carnarvon, starb bereits 1923
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